31 Mai 2006
Interview mit Brita Polzer, Autorin
L'arc-Interview mit Brita Polzer, Autorin zu Kunstprojekten, Künstlern und Gesellschaft, Zürich
grundeinkommen.tv: Du sprachst von der Objektorientierung in der Kunst, die damit zusammenhängt, dass man ein Produkt herstellen will. Mit dem Grundeinkommen könnte sich daran etwas ändern.
Brita Polzer: Mit dem Grundeinkommen wäre die Chance auf eine Erweiterung des Kunstbegriffs gegeben. Bisher sind Künstler und Künstlerinnen, wenn sie überleben wollen, mehr oder weniger gezwungen, sich auf die Vorgaben von Markt und Museen einzulassen. Der Markt verlangt materielle Produkte, die verkauft werden können. Museen wollen im Grunde nicht viel anderes. Sie wollen Werke, die sie sammeln, ausstellen und vermitteln können. Durch das Grundeinkommen würden Künstlerinnen und Künstler in die Lage versetzt, sich freier von diesen Vorgaben zu machen. Sie könnten ihren Blick vom Objekt auf das Subjekt lenken, von der Herstellung von Gegenständen auf Interaktionen, Kommunikationen, Handlungen von Menschen.
g.tv: Du sagtest, Du fändest am Grundeinkommen bemerkenswert, dass Menschen aus allen Breichen zusammenkommen. Grundeinkommen als das, wo die Menschen sich treffen. Was für eine Idee steht für Dich dahinter?
B. P.: Generell denke ich, dass die Idee des Grundeinkommens grenzüberschreitende Sprengkraft hat, ein ideelles Potential darstellt, auf das man sich von ganz verschiedenen Perspektiven aus einlassen kann. Schon die Idee verbindet, löst Diskurse aus mit Leuten, die man sonst nie kennen gelernt hätte.
Auch ein veränderter Kunstbegriff – der ja im übrigen keineswegs neu ist - würde mehr Teilhabe und Austausch mit sich bringen. Das Verhältnis von Produzent und Rezipient würde ein anderes. Die Autorschaft könnte zum großen Teil an ein Publikum, an Partizipierende, an Mitmachende übergeben werden. Wobei ich allerdings das Feld der Kunst als einen speziellen Raum mit spezieller Aura nicht würde aufgeben wollen.
g.tv: Du siehst mit dem Grundeinkommen eine Möglichkeit, die einen Raum schafft, in dem das, was mit 'Erweiterter Kunst' gemeint ist, stattfinden kann?
B. P.: Ja, genau.
g.tv: Was würde ein Grundeinkommen für Dich und Deine eigene Arbeit bedeuten?
B. P.: Was sich mit dem Workshop hier herausgestellt hat ist, dass es die Möglichkeit gibt, über ganz breite Lebensbereiche völlig neu nachzudenken. Insofern hat das Grundeinkommen für mich ein Potential, neu zu denken, und zwar alle Lebensbereiche betreffend. Es hat das Potential, alle Bevölkerungsschichten, Altersschichten, Geschlechter mit einzubeziehen im Nachdenken über das Grundeinkommen. Dieses Partizipative ist für mich wohltuend.
g.tv: Was für einen Wert siehst Du darin?
B. P.: Ich würde hoffen, dass es zu mehr Verantwortlichkeit führt, zu mehr Selbstbestimmung, zu mehr Eigenverantwortlichkeit.
g.tv: Was sind für Dich Gefahren beim Grundeinkommen?
B. P.: Das, was Du vorhin, bezogen auf mittelalterliche Malerei, mit dem verloren gegangenen Goldgrund beschrieben hast. Da das Grundeinkommen bedingungslos wäre, fielen viele bisherige Glaubenssätze und Lebensregeln weg, die bisher durch die Koppelung von Arbeit und Einkommen vorhanden sind. Regeln und Grenzen sind ja keineswegs nur schlecht. Ich lebe mit meinen Kindern zusammen und ich gebe Regeln und Gesetze vor. Diese bilden einen Rahmen, den man aber vielleicht auch als Umarmung sehen kann. Regeln werden über den Haufen geworfen, man lehnt sich dagegen auf, aber sie stecken ein Feld ab, innerhalb dessen man sich geborgen fühlt. Die Frage beim bedingungslosen Grundeinkommen wäre, wie man neue Umarmungen schafft. Im negativen Fall wären das schlechte Gesetze, im positiven so etwas wie neue, produktive Grenzen. Das wäre für mich die Herausforderung.
Mit Brita Polzer sprach Enno Schmidt am 14. Mai 2006 in Romainmotier
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