24 Mai 2006

Interview mit Alfred Meister, Unternehmer



L’arc Interview mit
Alfred Meister, Berater für Innovations-Organisation, Schaffhausen

grundeinkommen.tv: Was würdest Du sagen, was kommt einem im Grundeinkommen an Geistigkeit entgegen?
Alfred Meister: Die Liebe zur Arbeit. Die Befreiung vom Zwang zum Erwerb in einer ungeliebten Umgebung und ungeliebten Tätigkeit. Aber auch Freiheit als Verantwortung. Da sehe ich die Möglichkeit, Eigenverantwortung zu übernehmen durch diese Befreiung.

g.tv: Du warst lange in Firmen leitend, die global tätig sind. Wie siehst Du die Verbindung von Grundeinkommen und globaler Wirtschaft, globalem Geschehen?
A. M.: Wir klagen heute oft über die Verlagerung von Arbeitsplätzen in der Globalisierung. Diese Klage greift für mich viel zu kurz. Ich sehe ungeheure Chancen in unserem schweizerischen Rahmen, das kleine Unternehmen ihre Spezialitäten dahin liefern, wo Leute sich eher auf Massenproduktion konzentrieren, die auch nicht die Forschungsaufwendungen für kleine Spezialitäten machen können und wollen. Da gibt mir ein Grundeinkommen eine gewisse Sicherheit, dass die Flexibilisierung, die Verlagerung von Arbeitsplätzen, nicht einfach die schweizerische Wirtschaft unterpflügt, sondern hier ein Denkplatz ist, wo solche Spezialitäten entwickelt werden können, wo Ideen generiert werden können, die dazu führen, dass wir ein Angebot haben auch in einem chinesischen Markt, einem indischen Markt. Ich erachte unsere Chancen durchaus als lebensfähig. Ich teile die Ängste mittel- und langfristig nicht. Dass wir eine Umstrukturierung haben in der Schweiz ist unbestritten, dass dies so genannte Arbeitsplätze kostet ist unbestritten. Da wird ein Grundeinkommen Überbrückungsmöglichkeiten bieten für Umstrukturierungen, die sich in Jahren und Jahrzehnten abspielen werden.

g.tv: Du warst auch tätig in einem Gremium, das die Selbstversorgung der Schweiz zum Thema hatte. Der Gedanke war: Wir müssen in jedem Fall für uns selbst stabil sein können. Da hat ein Mentalitätswechsel stattgefunden. Selbstversorgung – Fremdversorgung, Trennung von Arbeit und Einkommen, Grundeinkommen. Kannst Du da eine Verbindung herstellen?
A. M.: Der Gedanke der Selbstversorgung hat sich total verändert mit unseren bilateralen Verträgen mit der EU. Ich selber bin ein Vertreter bilateraler Beziehungen zu der EU in der heutigen Zeit. Ich schließe nicht aus, dass sich unser Verhältnis mit der EU auch immer wieder wandeln wird. Ich finde das heutige Verhältnis nicht schlecht, dass es in der Mitte der EU eine Plattform gibt, wo vielleicht auch andere Blickwinkel möglich sind. Die Schweiz auch als Denkplatz, als Dienstleistungsplatz, das wird ganz stark von einem Grundeinkommen revolutioniert. Es gibt viele junge Leute mit Ideen, die sie verwirklichen wollen, und die dann untergehen mangels Finanzierungsmöglichkeiten, weil die Lebensbedürfnisse des Tages andere Erfordernisse stellen. Da sehe ich im Grundeinkommen eine Chance, dass solche Ideen weiter verfolgt werden können, dass Jungunternehmer einen Versuch wagen können. Wie er ausgeht, ist eine andere Sache. Das Risiko wird dadurch kleiner. Das Scheitern wird nicht gleich zu einem totalen Desaster. Dass eine Idee auch mal scheitert ist durchaus einzukalkulieren. Ich habe eingangs von der Liebe zur Arbeit gesprochen. Es könnte eine neue Arbeitsstimmung überhaupt entstehen dadurch, dass ich freier werde vom reinen Erwerbsgedanken.

g.tv: Was ist für Dich persönlich der Punkt, den Du an der Idee des Grundeinkommens am wichtigsten findest?
A. M.: Das hat sich bei mir gewandelt. Mir war immer ein Dorn im Auge die Polarisierung in Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Mein ganzes Berufsleben habe ich unter dem Schirm der Zusammenarbeit verstanden, Zusammenarbeit nach Fähigkeiten. Der eine hat die Führungsfähigkeit, der andre hat die manuelle Fähigkeit in der Ausführung, der dritte hat die geistigen Fähigkeiten für die Innovation oder im Technischen, was mich betrifft, der vierte ist mehr der Controller, der Buchhalter, der seine seriöse Arbeit machen kann. Und das sehe ich je länger je mehr gar nicht als hierarchisch sondern als Zusammenarbeit, auch assoziative Zusammenarbeit. Da ist eine große Chance für die Zukunft.

Mit Alfred Meister sprach Enno Schmidt am 14. Mai. 2006 in Romainmotier.

Keine Kommentare: