26 Mai 2006
Interview mit Adi Blum, Künstler
L'Arc-Interview mit Adi Blum, Theaterproduzent, Veranstalter, Künstler, Luzern
Adi Blum: Grundeinkommen, das habe ich schon in den 90er Jahren mit mir getragen als eine Möglichkeit, wie die Welt sich verändern könnte und hatte es wie vergessen. In diesen drei Tagen im L’arc ist mir wieder bewusst geworden, wie real eine solche Idee und wie möglich ihre Umsetzung sein kann.
grundeinkommen.tv: Was bedeutet für Dich Umsetzung?
A. B.: Umsetzung bedeutet, es real zu machen.
g.tv: Was sind für Dich Realitäten beim bedingungslosen Grundeinkommen?
A. B.: Grundsätzlich geht es um des Glück des Menschen und dass er überhaupt das Glück hat, auf die Welt zu kommen. Damit sind bestimmte Rechte verbunden. Zum Beispiel das Recht, atmen zu dürfen und das Recht, ein würdevolles Leben leben zu dürfen. Natürlich auch mit der zur Verfügungstellung der Grundlebensmittel.
g.tv: Würdest Du denn nicht sagen, dass man heute in der Schweiz auch so schon ein würdevolles Leben leben kann? Würdest Du sagen: Da fehlt etwas?
A. B.: Ja, es hat etwas mit dieser Arbeit zu tun. Du kommst auf die Welt und es heißt, Du musst arbeiten. Aber was diese Arbeit ist, das wird einem erst mit der Zeit klar, dass man damit Erwerbsarbeit meint, und dass das nicht die Arbeit ist, zu der man sich hingezogen fühlt.
g.tv: Wann ist Dir klar geworden, dass Arbeit Erwerbsarbeit meint, und was ist Dir da klar geworden?
A. B.: Ich hatte immer zu wenig Zeit das zu tun, was ich tun wollte. Und dann kam jemand, der sagte: Du verdienst ja gar kein Geld damit, Du bist ja arbeitslos. Da kam für mich eine innere Wut dazu und ich sagte: Das stimmt einfach nicht. Ich mache so viel. Und ich arbeite nicht nur für meine Befriedigung, sondern es ist auch gute gesellschaftliche Arbeit, die ich leiste. Ob ich jetzt da Geld dafür bekomme oder nicht, das ist egal. Diese Wut brachte mich schnell darauf: Da muss etwas falsch sein.
g.tv: Es ist ein Urerlebnis, dass man gar keine Zeit zum Arbeiten hat, wenn alles Erwerbsarbeit sein muss?
A. B.: Genau. Ich habe dann zwar immer irgendwelche Jobs gemacht, aber ich war unkonzentriert, weil mir durch den Kopf ging, ich müsste doch noch das machen, dies machen und das machen. Darum hat mir Erwerbsarbeit immer sehr wenig Spaß gemacht.
g.tv: Deine Position würden vor allem Menschen vertreten, die eine sehr eigenständige Arbeit machen. Zum Beispiel Künstler, Menschen, die sich im sozialen Bereich engagieren, in der Forschung, in einem Bereich, wo Arbeit aus ihrem Charakter heraus frei sein muss. Man kann sagen, gerade dadurch, dass sie als eine individuelle, von einem selber als sinnvoll gefundene und auch in dem Sinne bedarfsorientierte Arbeit geleistet wird, hat sie einen großen Wert für die Allgemeinheit. Die meisten Menschen sind aber in abhängiger Arbeit. Wie würde ein Grundeinkommen auf diese Menschen wirken?
A. B.: Ich glaube, dass diese Bereiche abhängiger Arbeit ein Überbleibsel sind von dem, was einmal normal war. Die unselbständige Arbeit, Erwerbsarbeit, erleben wir ja nicht seit jeher. Das sind die letzten zwei-dreihundert Jahre.
g.tv: Bist Du der Ansicht, dass auch in den abhängigen Erwerbsarbeiten das Grundeinkommen mehr Möglichkeit gäbe für das eigene Gespür für Sinn und das, was anderen tatsächlich nützt oder was Gesellschaft insgesamt voranbringt?
A. B.: Zuerst führt das in eine kreative Krise. Grundsätzlich geht es darum, dass der Prozess der Flexibilisierung, der ja bereits stattfindet, dazu führt, dass jeder seine Selbständigkeit wiedererlangt. Dafür kommt der Gesellschaftsvertrag eines Grundeinkommens gerade rechtzeitig, der sagt, jeder ist selbständig, soll aber Essen können, Geld bekommen dafür, dass er Teil der Gesellschaft ist.
g.tv: Was meinst Du, sind die vernünftigen Gründe, warum es ein bedingungsloses Grundeinkommen noch nicht gibt?
A. B.: Das hat mit der Sozialisation zu tun. Wenn man über Generationen hin gewohnt ist, in militärischen, hierarchischen Systemen zu funktionieren, kommt dann erst mal das ganz große Loch: Was soll ich jetzt, was ist der Sinn des Lebens? Und gleichzeitig ist da die Angst vor zu großem Vergnügen. Der Gedanke: Wenn man Menschen zu sehr genießen lässt, dann ist das nicht gut. Aber es ist schlussendlich der Genuss, der zu sinnvoller Arbeit führt, und den man nicht zu fürchten hat.
g.tv: Es sind jetzt nur noch zwei Fragen offen: Grundeinkommen und Kriminalität und Grundeinkommen und Sexualität.
A. B.: In wie weit ist die Wirtschaft heute eine Schattenwelt, eine Welt der Kriminalität und des Verbrechens? Und das Zweite ist Genussfreudigkeit. Inwiefern können wir mit Genussfreiheit und Sexualität umgehen lernen? Das wird jahrhunderte alte Tabus brechen.
Mit Adi Blum sprach Enno Schmidt am 14. Mai 2006 in Romainmotier.
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