11 Juli 2006

Rolf Kerler zum Grundeinkommen

Rolf Kerler benennt in einem Email-Interview seine Punkte zum Grundeinkommen.
Er war der erste Geschäftsführer der Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken (GLS Bank) und ist heute u.a. Aufsichtsratsvorsitzender der Weleda AG.

Rolf Kerler:

1. Ich denke, das Thema Grundeinkommen spricht eine andere Ebene an als diejenige, einfach im kleinen und persönlichen Zusammenhang damit anzufangen. Das Grundeinkommen steht im Zusammenhang einer Gemeinschaft zusammenarbeitender Menschen. Es spricht ein Menschenrecht und ein Gesellschaftsrecht aus, das nur Sinn hat, wenn es für alle gilt, wenn alle mitmachen. Je mehr aber alle einbezogen sind, desto mehr ist die Sache abhängig von anderen, von Politikern, die dieses Recht setzen.

2. Die Einrichtung eines Grundeinkommens sehe ich als einen Schritt an, um Arbeit und Einkommen zu trennen, einen Schritt von außen. Andere Schritte bestehen darin, eine andere Motivation für die Arbeit positiv zu entwickeln.

3. Wo es Recht gibt, gibt es auch Pflicht. Worin soll diese Pflicht gesehen werden, wenn man ein bedingungsloses Grundeinkommen erhält? Einfach darin, "Mensch" zu sein? Oder soll die Pflicht doch darin gesehen werden, zu arbeiten? Ist Grundeinkommen von der Qualität her Schenkung oder (Produktivitäts-)Kredit? Lohn wäre im Vergleich dazu Kaufgeld. Wenn jemand Grundeinkommen erhält, erwarten wir doch, dass er initiativ wird. Es wäre also Erwartungsgeld und Initiativgeld.
A propos: Rudolf Steiner spricht von der Arbeit als einer abzutragenden Schuld...

4. Das allgemeine Interesse an dem Thema Grundeinkommen zeigt, dass die
gesellschaftliche Diskussion über Arbeit und Einkommen reif ist. Das Grundeinkommen ist ein hervorragendes Beispiel, um mit den Menschen über ihre ureigenen Angelegenheiten ins Gespräch zu kommen.
Man kann sich jetzt vieles ausdenken, was an Problemen auftauchen könnte und wohl auch auftauchen wird, und was das eigene Weiterdenken hindert. Die Richtung aber stimmt, und man wird auf dem Wege dann wahrscheinlich manches anders und Anderes sehen als es heute möglich ist und sich dann eben auch neues einfallen lassen müssen und können. Vielleicht kommt man dann auch darauf, dass der Staat nicht der geeignete Finanzier des Grundeinkommen ist.

5. Trotzdem finde ich das im Zusammenhang mit dem Grundeinkommen diskutierte Umdenken im Steuerrecht wichtig. D.h., Steuern sollten nicht die Anfänge des Wirtschaftsprozesses, die unternehmerische Initiative belasten, sondern das Ende, den Verbrauch.

Enno Schmidt:

Unter Punkt 2 sprechen Sie von einer anderen Motivation für die Arbeit? Was verstehen Sie darunter. Das Grundeinkommen bezeichnen Sie als Schritt von außen für eine Trennung von Arbeit und Einkommen. Was wären innere Schritte? Denken Sie dabei an neue Unternehmensformen?

Bei Punkt 4. deuten Sie an, dass der Staat nicht der geeignete Finanzier für ein Grundeinkommen sei. Können Sie sagen, warum nicht?

Rolf Kerler:

1. Bei der anderen Motivation für Arbeit habe ich nicht an neue Unternehmensformen gedacht, sondern daran, dass die Motivation zur Arbeit nicht aus dem Einkommen kommen sollte, das sie „erzielt“. Ich sehe es mehr so: die eigene, eingeborene Lust und Liebe zur Arbeit trifft glücklicherweise auf eine Not bei anderen Menschen. Daraus entsteht das Arbeitsmotiv, der Beweggrund zum Arbeiten.

2. Wenn das Wirtschaftsleben darin besteht, wie Götz Werner (ich glaube im Anschluss an Benediktus Hardorp) einmal formuliert hat, die unterschiedlichen Wirtschaftslagen der Menschen auszugleichen, so sollte es das Wirtschaftsleben auch ermöglichen, durch eigene Organisationsformen diesen Ausgleich herzustellen. Der Staat hat lediglich die Rahmenbedingungen (z.B. ein Existenzminimum) dafür zu sichern.

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