06 September 2006

Die Grünen und das Grundeinkommen



Sozusagen "live aus Berlin" berichtet unser Webgestalter Stefan Pangritz vom Grünen Zukunftskongress:

Das bedingungslose und existenzsichernde Grundeinkommen als neuen Freiheitsbegriff begründen

"Am vergangenen Wochenende thematisierte die Grüne Partei (Bündnis 90/Die Grünen) die eigene politische Zukunft und die notwendigen Schritte zu einem Aufbruch in einen sozialen und ökologischen Wandel. Fast 2.000 angemeldete Teilnehmer, Parteimitglieder, geladene Gäste, Wissenschaftler, Politiker, Soziologen, sowie allgemein politisch interessierte Zeitgenossen trafen sich in Berlin, um die wichtigsten politischen Zukunftsthemen auf diversen Podien und Workshops zu analysieren. Die Veranstaltung zeichnete sich durch eine neue Offenheit, Ehrlichkeit und den Mut aus, neuen wie auch alten, fast vergessenen Utopien neuen Raum zu verschaffen, wie z.B. der urgrünen Forderung nach einem Grundeinkommen für alle Bundesbürger.

Das Thema Grundeinkommen, welches neben der Energiefrage zu den wichtigsten Pfeilern der Grünen Inovationen gehörte, wurde in den letzten Jahren durch zunehmende pragmatische Orientierung am politisch Machbaren, immer mehr in Richtung Grundsicherung (Altersgrundsicherung) letztendlich zu so manchem Monstrum wie Hartz IV (Alg 2) verwässert. Die beiden Hauptströmungen bedarfsorientierte Grundsicherung versus bedingungsloses Grundeinkommen wurden auf einem der meistbesuchten Workshops vorgestellt und sehr kontrovers diskutiert. Dabei offenbarten sich wenige politische Pragmatiker, die im Kampf um machbare Lösungen ihre Zukunftsvisionen weitgehend aus den Augen verloren hatten, wie auch eine junge Riege radikaler Neueinsteiger, die das Thema neu entdecken und zu neuer gesellschaftlicher Perspektive weiterentwickeln möchten. Das finanzielle herunterbrechen auf Zahlen und Steuersätze wurde bewußt vermieden, um der Frage, ob es nicht zuerst um die Entwicklung eines neuen Arbeits und Sozial- bzw. Kulturbegriffs geht, den gehörigen Raum zu verschaffen. Berlin, mit seinen 320.000 Arbeitslosen, war genau der richtige Ort um die wichtigkeit dieser gesellschaftliche Neupositionierung zu begreifen.

Es war die Rede von Chancen zur neuen Freiheit, von Befreiung vom Arbeitszwang, von Lohndrückerei, von Frauenrechten. Die Neiddebatte (Soll die Rechtsanwaltsgattin auch Grundeinkommen erhalten?), Zweifel (Wie gehen die sog. bildungsfernen Schichten damit um?) wurden ebenso besprochen, wie Fragen zur Finanzierbarkeit und auch Bedenken einer zu starken Arbeitgeberfreundlichkeit. Die Grüne Arbeitsgruppe zum bedingungslosen Grundeinkommen stellte ein weitgehend ausgearbeitetes Modell vor. Manchen PodiumsteilnehmerInnen war anzumerken, wie sie durch ihre politische Tagesarbeit die Utopien und Potenziale einer Bedingungslosigkeit nicht mehr zu denken wagen, da sie dieses für nicht realisierbar halten. Lieber bleibt man bei der Forderung für ein Recht auf Bildung und kulturelle Teilhabe für alle. Andere Stimmen - mit gewerkschaftlichem Hintergrund - wiederum, möchten lieber das Recht auf Arbeit verankert sehen.

Bei der großen Mehrheit der Workshopteilnehmer brach jedoch erfreulicherweise eine fast euphorische Stimmung durch und der Mut und die Lust zur neuen Utopie war greifbar. Das bedingungslose und existenzsichernde Grundeinkommen, als neuen Freiheitsbegriff zu begründen, die Lust zum Streit und Diskussion was Arbeit und Einkommen im Ursprung bedeutet und Wege jenseits der utopielos gewordenen Tagespolitik zu suchen stimmte hoffnungsvoll. Ein Anfang ist gemacht."

Stefan Pangritz, Berlin 05.09. 2006

Weiterer Bericht zum Zukunftskongress aus der TAZ


Vortrag von W. Strengmann-Kuhn "Grundsicherung und Grundeinkommen" vom 02.09. am Kongress

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