04 Oktober 2006

Die Herren der Erschöpfung erklären uns die Welt: Eine Frau antwortet



Die Veranstaltungen zur Idee des Grundeinkommens lassen uns an einer Idee teilhaben, die - so wurde mir gesagt - mehr denn je in die aktuellen gesellschaftlichen Verhältnisse passt. Ich habe mehrere Abende lang Vorträgen und Podiumsgesprächen gelauscht und soweit ich verstanden habe, kann ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht nur die materielle Existenz der Menschen besser sichern, sondern es ermöglicht ihnen auch, das zu arbeiten, was sie wirklich möchten. Dennoch bleibt ein schaler Nachgeschmack darüber, dass mir hier die Welt erklärt werden soll (Vornehmlich von Männern über 50). Ich verlasse die Veranstaltungen mit dem Gefühl, dass ich ein wenig dumm bin, wenn ich die Idee noch nicht begreife, und dass allein das Begreifen der Idee ihre Richtigkeit zementiert. Aalglatt, und mit beinahe zwanghafter Unangreifbarkeit wird uns die Perspektive eines bedingungslosen Grundeinkommens verkauft. Vielleicht ist es ein Generationenproblem. Vielleicht haben die doch etwas älteren Schöpfer der Idee nicht bemerkt, dass ein all zu schneidender „Rational-Sozialismus“ ein Relikt aus vergangener aufklärerischer Bevormundungsrhetorik ist, und dass die Wunschvorstellung vom „guten Patriarchen“, vom väterlichen Welterklärer oder philosophischen Monarchen ebenso verfänglich wie unsexy ist, und zuletzt: Dass der Versuch, all zu objektive Wahrheiten zu vermitteln, nicht nur am Ziel vorbeigeht, sondern vor allem jene Hilflosigkeit zum Ausdruck bringt, die zu verbergen die Dozenten so bemüht sind.

Was ich hier schreibe, versucht den Standpunkt der jüngeren Generation zu skizzieren, der unter Dreissigjährigen. Konkreter: den weiblichen Teil der jüngeren Generation. Wie trifft uns die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens?
Vielleicht hätte ein kleine Anmerkung gereicht. Ein kleines Eingeständnis daran, dass es Brüche gibt in unserem Glauben an die „grosse Idee“ (Die Wiener Politologin Margit Appel hat bisher als einzige Referentin ihren biographischen Standpunkt dargelegt. Sie hat ihre Ideen damit nicht nur glaubwürdig gemacht, sondern auch die Allmacht objektiver Sichtweisen auf befreiende Weise entkräftet). Die Herstellung von Wissen und Ideen ist ein Prozess, bei dem das, was von der Welt gewusst werden kann, durch die Machtverhältnisse, in die wir alle eingebunden sind, sowohl ermöglicht als auch beschränkt wird. Mir fehlte bei allen bisherigen Veranstaltungen die Ehrlichkeit eines solchen Eingeständnisses. Ich bin Feministin, und dies bedeutet - im Gegensatz zu vielen Vorurteilen – mehr, als einen gleichwertigen Status der Frau oder eine gleichberechtigte materielle Verteilung zwischen den Geschlechtern einzufordern. Feministisch sein bedeutet, dass man sich klarmacht: Position beziehen beinhaltet immer auch, dass man Praktiken der Macht ausübt, dass man etwas als „wahr“ setzt und dabei anderes ausschliesst. Für solche Praktiken müssen wir die Verantwortung tragen.
Und ebendiese Verantwortlichkeit fehlt bisher bei den Männern, die uns das Grundeinkommen als neue Gesellschaftsordnung vermitteln wollen. Ich kritisiere keine Inhalte, wohl aber Haltungen. Ich unterstelle den männlichen Vertretern des Grundeinkommens, dass sie eine Position einnehmen, ohne eine Angriffsfläche zu bieten. Ich hatte das Gefühl, dass diese Männer uns Blickwinkel eröffnen, die schon im Voraus bekannt zu sein scheinen, die wir nicht mehr aushandeln müssen. Wir aber wollen Ideen mit offenem Ausgang und mit Menschen dahinter, die die Irritation einer solchen Offenheit ertragen und vermitteln können! Was ich mir wünsche: Eine leidenschaftliche Unvoreingenommenheit. Das ist eine Metapher, Leidenschaft und Unvoreingenommensein widersprechen sich. Leidenschaft steht für „Eingenommenheit“, von etwas beseelt und vereinnahmt sein. Unvoreingenommenheit für Distanzierung, Abgekühltheit oder auch Neutralität. Die leidenschaftliche Unvoreingenommenheit meint eine Objektivität, die ihren eigenen Standpunkt nicht als einen Blick von nirgendwo auf die ganze Welt verkauft. Jeder Standpunkt ist verflochten in Machtmechanismen. Jeder Blick hat einen Standort, einen Winkel und eine begrenzte Reichweite und niemand kann sehen, ohne selbst gesehen zu werden. Wer etwas sieht und zum Ausdruck bringt, stellt sogleich etwas dar, ist also nicht mehr unschuldig objektiv, sondern verwoben in seine eigene Biographie oder die Biographie seiner Kultur.
Es ist ein kolonialisierender, ja entzaubernder Wunsch, einen allmächtigen Blick von nirgendwo nach überallhin zu haben. Und es ist ein Wunsch, dem der (westliche) Mann seit der Aufklärung hilflos verfallen zu sein scheint. Donna Haraway, eine der führenden feministischen Naturwissenschaftlerinnnen, bezeichnet diesen Wunsch als „Göttlichen Trick“. Ein scheinbar unschuldiger Trick, der es den Menschen ermöglicht, einen neutralen Standpunkt einzunehmen, mit dem sie die Macht haben, die Welt so zu sehen, wie sie ist.
Wenn ich für einen feministischen Standpunkt plädiere, geht es mir um eine Haltung, mit der wir Projekte und Ideen mit offenem Ausgang betreiben. Wir sind nicht für die Welt verantwortlich, wir leben hier einfach und versuchen, mittels unserer Werkzeuge, nicht-unschuldige Konversationen zu beginnen. Und dazu gehört das Eingeständnis, dass unsere Sicht der Dinge oft eine Interpretation aus einem nicht-unschuldigen Standpunkt heraus ist. Dieses Eingeständnis habe ich in den letzten Tagen vermisst, und vermisse ich auch in den Schrifterzeugnissen über das Grundeinkommen.

Franziska Schutzbach, Mitarbeiterin der Initiative Grundeinkommen

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich weiß gar nicht, auf was sich hier bezogen wird. War da ne Tagung oder sowas?

Gruß
Roi

Anonym hat gesagt…

Du schöne feministische prinzessin des grundeinkommens,

da ist schon etwas wahres dran an der fehlenden unvoreingenommenheit mancher referenten ...
beim frauenanteil auch, bis auf die tatsache das gestern adrienne goehler (die frau über fünfzig) einen weiteren autonomen frauenstandpunkt in die debatte eingefügt hat.

fehlende geistige flexibilität und gelassenheit, als besondere und leider eher seltene eigenschaft, ist immer und überall anzutreffen und das manche refferenten so subjektiv von ihrer idee begeistert sind, kann man ihnen kaum verübeln, da es in der natur der sache liegt. dass sie männer und meist schon älter sind, sollte man ihnen nicht vorwerfen.
jede frau ist sicher willkommen, wenn sie ihre ideen zum thema entsprechend zu markt zu tragen gewillt ist. katja kipping wäre als einzige parteienvertreterin willkommen gewesen, war aber wohl unabkömmlich.

der initiative kann man diesen vorwurf eigentlich weniger machen, da sie lediglich einen raum und rahmen bieten möchte um diese komplexe gedankenwelt vorzustellen und zu diskutieren. dabei das zukunftsthema arbeit und den neuen freiheitsbegriff durch grundeinkommen, möglichst umfassend beleuchten, zu drehen und spiegeln und fragen zu stellen.
den versuch jene ideen und gedanken aus dem wilden westen von hartz IV und zwangsarbeit in die noch behütete welt der wohlgeordneten und gutbestallten erwerbsarbeitenden, die welt der kantönlis und swisschalets zu tragen, dort wo die welt noch in ordnung ist ... kann man dieser initiative nicht hoch genug anrechen.

aber richtig: es braucht unbedingt unvoreingenommenheit, offenheit für alle standpunkte, es geht nicht darum ein parteiprogramm vorzustellen und abwinken zu lassen.

ein könig

Jens R. Prochnow hat gesagt…

Kaum schreibt eine junge Lady mal ein paar Zeilen hier, bluten die Herzen der Herren - Chapeau!

Anonym hat gesagt…

lieber radiomann,

bluten die herzen?

mann schreibt, weil es mal ein standpunkt ist an dem man sich reiben kann und der kontrovers angreift; deshalb und nicht weil es eine prinzessin ist, wird zurückgebloggt ...

der könig

Anonym hat gesagt…
Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.
Anonym hat gesagt…

Spannend diese Diskussion...zwischen Kultur-Politik-Psychologie. Teilweise etwas selbstzerstörerisch oder auch kurz vor dem Aufgeben, aber spannend!
Allerdings würde ich es begrüssen, wenn Konkrete Entwicklungen absehbar würden.